WMC 2014 > Turnier > Geschichte
Das Fußballspiel hat, wie M. Meiers wegweisender Artikel zum Lemma Apopudobalia (Ἀποπουδοβαλία) zu berichten weiß, seine Wurzeln in antiken Ritualen: "Einzelheiten sind jedoch nicht bekannt [, auch wenn] bereits in den Gymnastika des Achilleus Taktikos (fr. 3) [...] ἄνδρες ἀποπουδοβαλόντες für das frühe 4. Jh. v. Chr. in Korinth belegt" sind.[1] In der Folge wurde auch im spätrepublikanischen Rom bereits dem runden Leder nachgejagt. Dabei dürften die Sportler auch in dieser Zeit bereits mitunter Kultcharakter erlangt haben und von der nobilitas wie von Proletarien verehrt worden sein, wie die Auflistung einiger Apopudobalonten-Stars in der pseudociceronianischen Schrift De viris illustribus (3,2) belegt.
Mit der Expansion des Römischen Reiches Richtung Norden dürfte im Laufe des 1. und 2. Jhs. n. Chr. neben vinum dulce und garum auch die Apopudobalia bereits als integraler Bestandteil der römischen Lebenskultur in Britannien verbreitet worden sein. Archäologische Untersuchungen der letzten Jahrzehnte deuten darauf hin, dass die Pflege und Populasierung des edlen Sportes primär im Umfeld des römischen Militärs erfolgte. Davon zeugen u. a. die zahlreichen Feldlager mit Rasen(feld)sodenmauer und (meist noch 4) Toren, wobei man anscheinend den sportlich-kultischen Charakter mit militärischen Termini zu verbrämen suchte.[2] Spätestens mit dem Niedergang der römischen Herrschaft geriet auch die Bolzkunst in Vergessenheit in ganz Europa. Ganz Europa? Nein, in einem kleinen Dorf in Cambridgeshire wurde das Regelwerk in seinen wesentlichen Zügen von Generation zu Generation oral weitertradiert. In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. rollte das Leder von hier erneut über Kontinentaleuropa und quer über den Globus.[3] Die mythischen Anfänge des archäologischen Fußballs wiederum lassen sich bis in die 70er Jahre des 20. nachchristlichen Jahrhunderts zurückverfolgen. Durch orale Überlieferungen sind uns die kultischen Rituale des Zusammen- und Aufeinandertreffens von auserwählten Vertretern diverser Institute auf grüner Flur bekannt. Diese kulturellen Entwicklungsphasen werden in der Forschung heute mit dem Begriff "Präpedifolium" bezeichnet: An dieser Stelle sei nur auf die legendären Duelle zwischen Köln und Bonn oder die ebenfalls bezeugten Bonner Auswärtsspiele in Bayern verwiesen. Daneben fanden sich auch bereits in relativ lockerer und familiärer Atmosphäre wenige verschiedene Institute in unregelmäßigen Abständen zu kleineren eintägigen Turnieren auf beliebigen Bolzplätzen zusammen, die nach einzelnen oralen Zeugnissen spätestens seit der Zusammenkunft auf den kölschen Poller Wiesen im Jahr 1990 eventuell bereits als Winckelmanncup bezeichnet wurden ("Protopedifolium").[4] Die dünne Materialbasis für die Vor- und Frühgeschichte des WMC zeigt einmal mehr, dass die Erforschung der Genese des Turniers weiterhin ein Desiderat der archäoapopudobalontischen Wissenschaften darstellt und hier weitere Studien durch die DFG (Dresdner Fußballgemeinschaft) lohnenswert scheinen. In der offiziellen Historiographie werden diese Dark Ages nicht der Evolution des WMC zugerechnet. Erst mit der ins Jahr 1991 datierten, von den rheinländischen Urgesteinen von Medusa Hofgarten verfügten reformatio Bonnensis betrat der Winckelmanncup die Bühne der historisch gesicherten Weltgeschichte, was allgemein als Startpunkt für das noch immer andauernde "Pedifolium" angesehen wird. Neun Mannschaften ritterten bei diesem ersten offiziellen WMC-Turnier um die Gunst des Leders, um so Trophäen und Siegesaltäre zu erlangen. Im Jahr 1 n. WMC. wurde das panarchäologische, kultisch-sportliche Fest nicht am Rhein, sondern an der Donau in Carnuntum ausgerichtet. Dem Prinzip der Annuität wurde in der Folge durch wechselnde Austragungsorte Genüge getan, wobei neben der etablierten Bolz-Nobilität schon rasch einige homines novi das Teilnehmerfeld erweiterten. Die Dominanz des Trinkgeschirrs im archäologischen Fundgut scheint dafür zu sprechen, dass auch hier bereits die gemütliche Geselligkeit und die gewissenhafte Durchführung der Libations-Opfer das sportliche Element weitgehend in den Hintergrund verdrängten. Im Jahr 11 nach dem Erscheinen der WMC-Messiasse im Rheinland wurde beim Turnier in Göttingen erstmals die 20er Schallmauer im Teilnehmerfeld durchbrochen. Immer mehr Altertumswissenschaftler zwängten auch in den folgenden Jahren ihre bibliotheksgestählten Körper für mehrere Tage ins Fußballtrikot. Dabei lässt sich eine gewisse Veränderung des sozialen Hintergrunds der Teilnehmer konstatieren: Während sich die Festgäste anfangs primär aus der Schicht der Studierenden der klassischen Antike rekrutierten, bereicherten bei den letzten Turnieren stärkere prähistorische und mediävistische sowie außeruniversitäre soziale Elemente das Teilnehmerfeld. So wurde die Tradition des Winckelmanncups in den letzten zwei Dezennien ohne Hiatus an verschiedenen Kultorten im mitteleuropäischen Raum gepflegt und weiterentwickelt. Provenienzanalysen, die an einigen Bierdosen und Schnapsflaschen durchgeführt werden konnten, bezeugen auch eine fortschreitende geographische Streuung der WMC-Glaubensgemeinde. So nahmen neben dem deutschen Sprachraum auch Vertreter aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Tschechien, Polen, Rumänien, der Slowakei und den Niederlanden an diesen Ritualen erfolgreich teil. Damit fördert das dreitägige sportliche Kultfest seit jüngster Vergangenheit das Kennenlernen und die Verständigung zwischen jungen und junggebliebenen ArchäologInnen und AltertumswissenschaftlerInnen aus ganz Europa. Die famosen Dresdner Henge Kickers haben sich dankenswerterweise als Hüter, Bewahrer und Beschützer dieser schicksalsvollen und ereignisreichen Geschichte bewährt. So findet ihr ein PDF aller Turniere samt der teilnehmenden Mannschaften hier. Die aktuelle 5-Jahres-Rangliste der Winckelmanncup-Teams gibt es ebenfalls als PDF, wobei es sich die Mannen und Frauen von Furia Moravica Brno, Festung Tübingen, UAM Poznań Diggers und den Berliner Karpeiken dank ihrer flinken Füße und mächtigen Taten an der Spitze bequem gemacht haben. Die in den Großen Zschirnstein eingemeißelte ewige Tabelle der WMC-Teilnehmer ist weitgehend vollständig überliefert und aus dem altsächsischen transkribiert, sodass sich Spartacus Berlin weiterhin als Spitze des archäologischen Fußballzuckerhuts bezeichnen kann. Nach zwei Jahrzehnten Winckelmanncup wurde Ende Juni 2011 das 80 Seiten starke WMC-Magazin publiziert, mit dem sich die Dresdner Recken endgültig in unsere Herzen und auf den WMC-Literaturolymp geschrieben haben. Gerade für die Frühzeit sind teilweise die vollständigen Namen oder Ergebnislisten nicht direkt überliefert. Falls ihr Anmerkungen bzw. Korrekturen habt oder das tolle Jubiläumsheftchen erwerben möchtet, wendet euch bitte an die Dresdner Henge Kickers (entweder über deren Gästebuch oder per Mail an lordoftheballs[äd]freenet.de). |
[1] DNP I (1996) 895 s. v. Apopudobalia (M. Meier) - Brill Online, 2013. Reference. 23 October 2013 <http://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/apopudobalia-e128870>
[2] vgl. auch das fußballähnliche Cuju (Ts'uh-chüh), das sich spätestens seit der Qin-Dynastie in China verbreitete und seine Ursprünge ebenfalls in militärischen Ausbildungsprogrammen gehabt haben dürfte: s. http://de.wikipedia.org/wiki/Cuju und H. Brinker, Laozi flankt, Konfuzius dribbelt. China scheinbar im Abseits. Vom Fußball und seiner heimlichen Wiege. Welten Ostasiens 9 (Bern 2006) mit weiterführender Literatur. [3] s. bei ernsthaftem Interesse an der historischen Entwicklung des Fußballspiels als seriösere einführende Literatur beispielsweise: F. Reiter, Der Kick mit dem Ball. Die Geschichte des Fußballs (Berlin 2009); K.-H. Huba (Hrsg.), Fußball Weltgeschichte (München 2007); K. U. Bertrams, „O wonnevolles Fußballspiel“. Der akademische Hintergrund einer volkstümlichen Sportart, Studentenkurier 3, 1998, 13–15; F. Peabody Magoun, History of football from the beginnings to 1871. Kölner anglistische Arbeiten 31 (Bochum-Langendreer 1938); K. Koch, Die Geschichte des Fussballs im Altertum und in der Neuzeit² (Berlin 1895). - zur existenziellen philosophischen Notwendigkeit von Fußball seit der Antike: St. Geiger, Sokrates flankt! Eine kleine Philosophiegeschichte des Fußballs (Berlin 2002) und M. Python, The Philosophers' Football Match (München 1972). [4] Freundliche Mitteilung W. Messerschmidt, Dezember 2013. |
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